Gericht
Was ist das?
Dass Gott sich am Ende aller Tage von der menschlichen Gerichtsbarkeit abschaut, wie so ein Endgericht funktioniert, ist eher unwahrscheinlich. Insofern sollten wir uns davon verabschieden, uns das so bildlich als eine Verhandlung mit Gott als unerbittlichen Richter vorzustellen. Vor allem, weil die Angelegenheit dadurch eine Dynamik bekommt, die einzig und alleine zur Verängstigung taugt.
Das Wesentliche am Jüngsten Gericht sind nicht Strafen und Belohnungen, sondern die Offenbarung dessen, was der Sinn unseres Lebens ist. Wir ahnen ja unser Leben lang, dass etwas Größeres hinter allem steckt. Aber wir verstehen es nicht und wissen deshalb auch nicht, was zu tun ist. Könnte es nicht sein, dass Gottes Gericht genau die Eröffnung dieses verborgenen Sinns ist? Dann wäre, was in unserem Leben richtig und was falsch gelaufen ist, plötzlich ganz deutlich. Keine Frage: das wird ganz schön ungemütlich und peinlich. Aber eben auch erhellend wie kein anderer Richterspruch.
Freisprüche und Verurteilungen sind menschliche Kategorien, in denen wir gedanklich gefangen sind. Doch bei Gott gelten andere Maßstäbe. Und wir haben allen Grund zu der Hoffnung, dass nach denen alles etwas anders laufen wird als vor jedem Gericht dieser Welt. Diese Einsicht hätte allerdings erhebliche Auswirkungen darauf, wie wir unser Leben angehen. Insofern ist die Frage, wie wir das Gericht verstehen, erheblich und nichts, was wir uns für die letzten Tage unseres Lebens aufheben sollten.
Georg Rieger, Nürnberg