Provokation
Herausforderung
Deutsche Soldaten brauchten sie zur Unterstützung bei ihrem Einsatz in Afghanistan: die sogenannten Ortskräfte. Einheimische Männer und Frauen sorgten für die nötige Infrastruktur, für Verständigung und Zusammenarbeit mit der Bevölkerung.
Nach dem überstürzten Abzug versprach Deutschland zunächst die Evakuierung der von den Taliban als Verräter angesehenen Menschen. Diese war nicht möglich, aber es gab auch keine ernsthaften Bemühungen, die Flucht zu unterstützen. Immerhin die Zusage, diejenigen auszufliegen, die es bis nach Pakistan schaffen.
Manche warten seit Jahren auf die Einlösung dieses Versprechens. Inzwischen werden sie von Unionspolitiker*innen als „Sicherheitsrisiko“ diffamiert, obwohl sie von deutschen Behörden mehrfach überprüft sind. Maßgabe war, diese auf keinen Fall on Deutschland einreisen zu lassen. Ein Gericht hat nun für 50 von ca. 2.000 die Einreise ermöglicht. Aber Innenminister Dobrindt will sich mit den Verbliebenen „Zeit lassen“.
So buchstabiert Deutschland, was Dankbarkeit ist.
Georg Rieger, RefApp
Angeblich sollte es beim Alaska-Gipfel zwischen Trump und Putin um ein Ende des Krieges in der Ukraine gehen. Alle entsprechenden Ankündigungen und Vorgespräche waren aber hinweggefegt, als sich die beiden mächtigen Männer auf dem Rollfeld begegneten. Denn da trafen sich zwei, die sich eigentlich schon lange einig sind: Das einzige, was zählt, sind ihre ganz persönlichen Interessen. Und die ergänzen sich viel besser als irgendwelche komplizierten Friedensprozesse.
In dem ehemaligen Ost-West-Konflikt und dem sogenannten Kalten Krieg ging es um politische Systeme. Jetzt geht es dem einen darum, alte Herrschaftsbereiche wiederherzustellen (Außenminister Lawrow – sonst immer im Anzug – trug bei seiner Ankunft ein UDSSR-Shirt). Und dem anderen geht es um Geschäfte, die seinen Freunden und ihm die Taschen vollmachen.
Demokratie ist etwas für Schwächlinge. Die für ihre Freiheit kämpfen, sollen sich ergeben, weil sie eh keine Chance haben. Die das Wohlergehen aller im Blick haben, sollen sich ihre Menschenfreundlichkeit sonstwohin stecken. Und die sich für den Erhalt der Natur und unserer Lebensbedingungen einsetzen, sind einfach lachhafte Gestalten. Trump und Putin sind sich einig, was ihre Gegner sind: die Demokratie, die Toleranz, die Gerechtigkeit ... und vieles Gute mehr.
Georg Rieger, Nürnberg
Das Sommerinterview mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel wurde von einem Lautsprecherwagen gestört. Reflexhaft kam die Reaktion - vor allem aus Kreisen konservativer Politiker*innen und Kommentator*innen, das nütze doch wieder nur der AfD. Sie müsse inhaltlich gestellt werden. Doch wann beginnt dieses „inhaltlich Stellen“? Eine Reaktion hätte auch sein können, die (im Interview unwidersprochenen) Lügen zu widerlegen, z.B. von den 215.000 ausreisepflichtigen Syrern.
Geflüchtete gegen Hetze in Schutz zu nehmen, passt aber nicht zur Agenda auch mancher demokratischen Parteien. Deshalb wird es wohl auch nichts mit dem inhaltlich Stellen.
Georg Rieger RefApp
In der letzten Legislaturperiode haben die demokratischen Parteien noch eine Neuregelung beschlossen, um der verfassungsfeindlichen AfD den Zugriff zu erschweren. Durch die Ereignisse rund um die Wahlen zum Bundesverfassungsgericht ist klar geworden: Die Ausgewogenheit des höchsten deutschen Gerichts wird auch von Konservativen nicht mehr gewünscht. Der Kulturkampf gegen alles, was links und liberal ist, ist ihnen wichtiger. Ein neuer Höhepunkt, aber sicher nur ein vorläufiger auf dem Weg zur Aushöhlung einer unabhängigen Justiz.
Noch schlimmer: Die CSU/CDU-Parlamentarier lassen sich von rechtsradikalen Medien, russischen Trollen und windigen Gutachtern zu diesem Schritt drängen. Die AfD kann jubeln, weil sie aus ihrer parlamentarischen Minderheit heraus eine weitere Runde gewonnen hat.
Georg Rieger, Nürnberg
Zum 30. Gedenktag an den Völkermord in Srebreica wurden auch zwei Überlebende zusammen mit einer Delegation von Diplomat*innen in den Bundestag eingeladen. Eine davon war Selma Jahic, die über ihren Besuch aber Verstörendes berichtet.
Nicht nur, dass ein AfD-Redner den Genozid indirekt leugnete. Die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner forderte die Delegation auch auf, die angesteckten "Blumen von Srebrenica" abzunehmen. Diese elfblättrige weiße Blüte mit einem grünen Blütenstempel in der Mitte steht für das Datum (11.7.), die Unschuld der Opfer und die Hoffnung auf Gerechtigkeit für die Ermordeten.
Julia Klöckner und mit ihr die Mehrheit des Ältestenrats sehen dieses Symbol als "politisch" an – also als eine Meinungsbekundung. Solche Symbole sind im Bundestag tatsächlich nicht erlaubt. Das Gedenken an ein Ereignis ist keine Meinungsäußerung – und wenn es von selbst Betroffenen getragen wird – schon sowieso nicht. Diese Verwischung von Fakten und Meinungen macht es den Rechtsradikalen und den Tätern von damals leichter, ihre Tat zu rechtfertigen. Und dafür haben Menschen wie Selma Jahic ein feines Gespür.
@selmajahic.bsky.social
Georg Rieger RefApp
Seit die Klimaaktivisten aufgehört haben, sich auf die Straßen zu kleben, ist exakt das passiert, was sie bis dahin verhindert hatten: Das Klima verschwand praktisch komplett von der politischen Agenda. Mehr noch: Wann immer das Thema jetzt angesprochen wird, rollen die meisten Menschen mit den Augen oder fangen genervt das Schimpfen an.
Die aktuelle Politik agiert wieder als gäbe es kein Morgen. Zukunftsträchtige Projekte werden eingestellt, alte Technologien wieder ausgebaut. Das Thema Klima lastet nun wieder auf den Schultern einer einzigen Partei – und die krebst bei 11 Prozent herum.
Auch vonseiten der Kirchen ist es ruhig geworden. Schöpfungstheologie hat so was flower-power-mäßiges. Klimaaktivismus wird der Anmaßung bezichtigt und Aufrufe zum nachhaltigen Leben der Moralisierung. Wie kommen wir aus dieser Falle wieder heraus?
Vorschläge gerne an: redaktion@reformiert-info.de
Georg Rieger, RefApp
Die Bundesregierung streicht die Mittel zur zivilen Seenotrettung. An dieser Meldung hat vor allem erstaunt, dass es die Unterstützung bis dahin gab. Denn die Politik setzt schon lange mehr auf abschreckende Bilder als auf Mitmenschlichkeit.
Die jährlich zwei Millionen Euro an verschiedene Rettungsorganisationen waren ein Überbleibsel der Außenpolitik von Annalena Baerbock. Sie trug anderseits auch den verschärften Einsatz der Grenzsicherungstruppe Frontex mit, die wegen illegaler Pushbacks immer wieder in die Schlagzeilen gerät.
Das Argument des jetzigen Außenministers Johann Wadephul war schon damals, dass die Seenotrettung faktisch, wenn auch ungewollt die Schlepperbanden unterstützten. Dieses Argument provoziert allerdings ebenso faktisch den Tod von Menschen zur Abschreckung von weiteren Fluchtversuchen. Die Normalisierung solcher Argumentationen ist der viel größere Schaden für die Menschlichkeit als die zwei Millionen.
Spendenmöglichkeit https://united4rescue.org/de
Georg Rieger, Nürnberg
Innenminister Dobrindt ignoriert das Urteil eines Verwaltungsgerichts und weist die Bundespolizei an, weiter Asylsuchende an den Grenzen abzuweisen. Dies ist ein Verstoß gegen geltendes deutsches und europäisches Recht. Es gibt zwar die Möglichkeit einer Aussetzung dieses Rechts, aber dafür bedarf es der Erklärung einer nationalen Notlage. Für die gab es in dem Gerichtsverfahren keine Begründung und für die wird es auch in keinem weiteren Verfahren eine sinnvolle Begründung geben.
Das Asylrecht wird nicht zum ersten Mal in Frage gestellt. Nun werden auch Organisationen diskreditiert, die sich für Geflüchtete einsetzen – wie zum Beispiel „Pro Asyl“. Es geht darum, alles für verwerflich zu erklären, was für Asylsuchende getan wird. Die Stimmung, die dadurch Geflüchteten gegenüber erzeugt wird, ist menschenverachtend.
Georg Rieger, Nürnberg
Die Grüne-Jugend-Vorsitzende Jette Nietzard steht wegen ihres Pullovers in der Kritik. Die Aufschrift „ACAB“ steht für „All Cops Are Bastards“. Das Kürzel stammt aus der britischen Arbeiterbewegung der 1920er Jahre und wird bis heute tätowiert und gesprayt. Es steht für eine radikale Systemkritik linker Gruppen.
Eine so pauschale Verunglimpfung ist nicht nur völlig unangebracht, sie schadet auch der dringend nötigen Diskussion über strukturelle Probleme. Das Benennen von Polizeigewalt wird bei der Polizei selbst stets als Angriff auf die Institution als solche aufgefasst. Aus demselben Reflex wird jede ernsthafte Aufarbeitung von Rassismus und Rechtsradikalismus in der Polizei verhindert.
Wir sind alle auf Schutz angewiesen und sollten dafür dankbar sein, dass es Leute gibt, die diesen Job übernehmen. Wir haben allerdings auch ein berechtigtes Interesse daran, dass die Polizist*innen die Werte unserer Verfassung vertreten und sich darin auch überprüfen lassen. „Some Bastards“ gibt es überall. Und wie überall sollten die benannt werden dürfen und in die Schranken gewiesen.
Georg Rieger, Nürnberg
Das brutale Vorgehen der israelischen Armee in Gaza und der Siedler im Westjordanland befeuert Forderungen, die Solidarität mit Israel aufzukündigen. Tatsächlich wird der Begriff stark strapaziert. Aber das wurde und wird er in anderen Fällen genauso. Wenn es unseren Interessen dient, pflegen wir mit gewalttätigen Staaten gute Beziehungen.
Was uns im Fall von Israel verwirrt, ist die Doppelrolle als Opfer und Täter. Und tatsächlich verlangt uns die Solidarität einen Spagat ab:Wir müssen gleichzeitig die ständige Existenzbedrohung bedenken, die kein Land so wie Israel erlebt, und die Politik kritisieren – ja verurteilen. Das mag zwar nicht einfach sein, aber es ist möglich
Georg Rieger, Nürnberg
