Vorbild sein
Perspektivwechsel
In der Erziehung ist es ein unbestrittener Effekt, dass Kinder ihre Eltern nachahmen und denen daher die Rolle des Vorbilds zukommt. Auch Jugendliche suchen nach Vorbildern. Auf YouTube und Instagram hat sich zu diesem Zweck ein eigener Berufsstand zur Einflussnahme (influencing) etabliert. Als erwachsen gilt es dagegen, sich von Vorbildern frei zu machen, auch wenn das in vieler Hinsicht nicht wirklich funktioniert.
Die Rolle des Vorbilds einzunehmen schreiben wir gerne Prominenten zu, die aufgrund ihrer Bekanntheit und Gefolgschaft zwar die Möglichkeit, aber nicht immer auch das Potential haben. So führt es meistens zu Enttäuschungen, wenn wir bemerken, dass diejenigen, die wir bewundern gar nicht perfekt sind.
Um diesem Druck nicht ausgesetzt zu werden, drücken wir selbst uns davor, Vorbilder zu sein. Kindern gegenüber ja – und auch da zunehmend scheu, anderen Erwachsenen gegenüber aber eher nicht. Lieber schützen wir vor, nicht unsympathisch, überheblich oder gar besserwisserisch sein zu wollen.
Aber kann sich eine Gesellschaft fortentwickeln, ohne dass wir uns voneinander etwas abschauen? Brauchen wir nicht auch die gegenseitige Vergewisserung, dass bestimmte Verhaltensweisen besser sind als andere? In einem gesunden Maß ist Vorbild-Sein ein Antrieb für soziales Verhalten, für Mitmenschlichkeit und Engagement und es verändert im guten Sinn die Perspektive auf das eigene Leben.
Georg Rieger, Nürnberg