Cancel Culture
Perspektivwechsel
Immer wieder werden Künstler*innen ausgeladen, erleben Shitstorms im Internet oder verurteilende Kommentare in Feuilleton-Spalten von Zeitungen, weil sie vermeintlich etwas politisch nicht Korrektes gesagt oder geschrieben haben. Der neue Begriff des Culture Canceling wird dann von den Betroffenen als Synonym für Zensur verwendet.
Eine gesellschaftliche Vorsicht zum Beispiel gegenüber verbalen Grenzüberschreitungen ist wichtig und zeugt von einem funktionierenden Bewusstsein für Werte. Sie ist nicht gleichzusetzen mit einer staatlichen Behinderung der Kunstfreiheit. Auch die Meinungsäußerung zu künstlerischen Darstellungen darf nicht in die Ecke einer Diskriminierung gestellt werden.
Der bildenden Kunst, dem Theater, dem Kabarett und anderen Kunstformen muss es von der Gesellschaft zugestanden werden, Grenzen zu überschreiten und mit paradoxen Methoden zu arbeiten. Die Überzeichnung ist ein Stilmittel, das auch einmal „daneben“ sein darf oder sogar muss.
Eine Grenze wird von der Kunst da überschritten, wo sie sich zum Handlanger politischer Interessen macht und Entgleisungen nachfährt, die analog von politischen Gruppierungen verwendet werden. Kunst ist es aber dann schon deshalb nicht mehr, weil es nicht originell ist.
Georg Rieger, Nürnberg