Alles wird gut
Er kann den schönsten Moment verderben, die beste Stimmung einer Gruppe, die meisterhaft erzeugte Spannung im Film, dieser unsägliche Satz: Alles wird gut. Er ist wie der Stöpsel, der nicht passen will, nachdem ich die Matratze aufgeblasen habe und mich, etwas überventiliert, aufs Sonnenbad freue. Er lässt aus jeder noch so gut erzählten Geschichte die Stimmung raus. Er verdirbt wie ein Tropfen Galle den gekonnt tranchierten Fisch. Ein Film, in dem plötzlich dieser Satz fällt, ist für mich gelaufen. Despiriert schalte ich ab.
Typischerweise fällt er genau, wenn die Kacke am Dampfen ist, alles aussichtslos und völlig verkarrt. Meine Gefühle gehen mit der Protagonistin, die nicht mehr ein noch aus weiss, doch dieser dumme Spruch, tausendfach gehört, katapultiert mich raus, wohin ich nicht will.
Er ist Inbegriff von literarischem Kitsch. Auf einem Buch steht er, dessen dottergelber Grund mit Blümchen übersät ist, in Schnürlischrift auf eine Etikette geschrieben, an ein Geschenk zu hängen. Eine Broschüre mit Sprüchen zur Aufmunterung: Du schaffst das, finde Kraft für jeden Tag, unendlich viel Glück für dich. Die Fernsehkategorie Herzschmerz bietet ihn an Wochenenden so sicher wie die Kirche das Amen.
Kitsch versammelt Richtiges am falschen Ort, um Gefühle zu manipulieren. Er ist ein emotionaler Übergriff. Dotter erinnert an das gute Frühstück mit Ei, Blümchen an frisch erblühte Wiesen im Frühling, Schnürlischrift an unbeschwerte Kinderjahre, Geschenkdesign an Geburtstag. Alles für sich gut und wahr, giftig aber in der suggestiv gesteuerten Kombination. Kitsch ist ein verlogenes Ensemble. Er dekoriert.
Nichts wird gut, wenn die Scheidung unvermeidlich ist, die Diagnose terminal, die Kündigung unwiderruflich, die Sucht tief. Einem, der im Sumpf sitzt, vom gepflasterten Weg aus zuzurufen, alles werde gut, ist Verhöhnung von Trost, seine Perversion, Unrat statt Rat. Ist Gott gespielt statt Mensch gewesen!MK